— Pflanze des Monats: Vogelmiere
JÄNNER
In den Gärten, wo sich die Vogelmiere gerne ansiedelt, weil sie stick- und nährstoffreiche Böden liebt, wird sie oft als „Unkraut“ entfernt. Und dabei kann sie so viel mehr! In der Naturheilkunde ist sie für ihre Einsatzgebiete wie Husten und Hautprobleme bekannt. Und sie ist eine alte Salat- und Gemüsepflanze und dürfte schon in der Jungsteinzeit den Menschen als Nahrungspflanze gedient haben. Ihr ökologischer Wert ist dabei aber mindestens genauso spannend wie ihre Inhaltsstoffe.
Für mich spielt bei Wildkräutern nicht nur der ernährungsphysiologische oder gesundheitliche Wert eine Rolle. Primär finde ich es wichtig ihre Rolle im Ökosystem zu verstehen. Nur so können wir lernen achtsamer mit wilden Pflanzen und damit auch mit Biodiversität und Ökosystemen, die unsere Lebensgrundlage sind, umzugehen.
In der Natur:
Was kann die Vogelmiere?
Die Vogelmiere ist eine eher untypische Vertreterin der Nelkengewächse. Obwohl man sich von ihr vielleicht etwas mehr Radau, etwas mehr Farbe erwarten würde, hat sie einiges zu bieten.
Die Vogelmiere ist eine wichtige Kulturfolgerin und Pionierpflanze. Als robuste Wildpflanze hat sie die Eigenschaft unglaubliche viele und lange keimfähige Samen zu bilden. Das ermöglicht der Vogelmiere schnell dort zu sprießen, wo die Bedingungen passen.
Kulturfolgerin & Pionierpflanze
Die Vogelmiere ist eine Kulturfolgerin (siedelt sich in Menschennähe an) und Pionierpflanze, also eine der ersten Pflanzen, die einen offenen Boden besiedeln. Viele Wildpflanzen, die als Unkraut verteufelt sind, haben die Eigenschaft unglaublich viele und lange keimfähige Samen zu bilden (die Samen der Vogelmiere können bis zu 60 Jahre keimen). Das ermöglicht der Vogelmiere schnell dort zu sprießen, wo die Bedingungen passen. Und für uns kann das im Garten von Vorteil sein: mit ihrem teppichartigen Wuchs bedeckt sie den offenen Boden, hält ihn dadurch feucht, schützt ihn so vor Erosion und sorgt für gute Bedingungen für die Bodenmikroorganismen und den Humusgehalt. Alles Dinge die für einen fruchtbaren Boden wichtig sind. Sie fungiert also als natürliche Mulchschicht. Ein kleiner Nachteil im Garten: Schnecken suchen im schützenden „Vogelmieren Bett“ gerne auch Unterschlupf.
Zeigerpflanze
Die Vogelmiere ist eine Zeigerpflanze. Wo sie wächst, zeigt sie Stickstoffreichtum im Boden an. Sie gilt damit als Zeiger für eine gute Bodenqualität. Auch interessant ist ihre Funktion als Wetterzeigerin. Denn sind die kleinen Blüten zur Gänze geöffnet, kann in den nächsten Stunden mit Sonnenschein gerechnet werden.
Nahrungspflanze
Außerdem ist die Vogelmiere eine wichtige Nahrungspflanze für Tiere. Der Nektar in den Blüten dient manchen Insekten als Nahrung. Ihre zahlreichen Samen (bis zu 15.000 pro Jahr) sowie auch das Kraut sind eine Futterquelle für Vögel und Hühner. Was sich im englischen Namen „common chickweed“ niederschlägt.
Botanik & Erkennungsmerkmale
Botanischer Name
Stellaria media
Familie der Nelkengewächse
Standort
Wenn wir in der Natur auf der Suche nach der Vogelmiere sind, werden wir sie in der Regel im Halbschatten, auf nährstoffreichen, feuchten Böden, in Gärten, Äckern und auf Brachflächen finden.
Die wichtigsten Merkmale
Flacher, niedriger Wuchs, bodendeckend, teppichartig
Stark verzweigter Wuchs, wo die Stängelknoten den Boden berühren, bilden sich neue Wurzeln
Erkennungsmerkmal Nr. 1: Stängel einreihig behaart = einreihige Haarleiste
Erkennungsmerkmal Nr. 2: dicke Faser im Stängel = stärker gebautes Leitbündel („Hühnerdarm“, „Mausdarm“)
Blätter: jeweils 2 stehen sich gegenüber, sind ganzrandig, eiförmig, zugespitzt
Aus den Blattachseln entspringen neue Triebe und Blütenstände
Blüte: max. 7mm groß, weiß, 5 Kronblätter, stark eingeschnitten, sieht aus als wären es 10 Blütenblätter („Stellaria“ = lat. Sternchen weist auf die Sternform der Blüte hin)
Fruchtkapseln mit dünnen Stängeln
Braune Samen – klein, kugelig
Einjährig, bildet mehrere (4-7) Generationen pro Jahr
Verwechslungsgefahr
Es gibt eine Vielzahl von Mieren (wie z.B. die Große Sternmiere). Sie können alle als Wildgemüse genutzt werden. Eine Verwechselung ist ungefährlich. Verwechslungen sind ebenfalls möglich mit den ungenießbaren aber nicht besonders giftigen Hornkraut (alle Teile behaart) und Sandkraut-Arten.
Vorsicht ist geboten beim giftigen Acker Gauchheil. Verwechslungen sind aufgrund ähnlicher Merkmale möglich. Ein auffälliger Unterscheid ist die Blüte. Der Acker Gauchheil blüht rötlich.
Inhaltsstoffe
Die Vogelmiere ist so etwas wie eine grüne Vitaminpille und ein heimisches Superfood. Sie ist reich an Mineralien, Spurenelementen und Vitaminen und enthält 2x so viel Calcium, 3x so viel Kalium und Magnesium und 7x so viel Eisen wie Kopfsalat (Quelle: Praxis Lehrbuch Heilpflanzenkunde, U. Bühring). Eine gute Handvoll Vogelmiere soll den Tagesbedarf an Vitamin C decken (Quelle: Gesunde Wildkräuter aus meinem Garten, G. Holzmann). Daneben finden wir Chlorophyll, Zink, Kieselsäure und wertvolle sekundäre Pflanzenwirkstoffe wie Schleimstoffe, Flavonoide und Saponine.
Sammelzeit & verwendete Pflanzenteile
Bei flächenartigem Auftreten ist es kaum möglich Einzelpflanzen zu erkennen. Geerntet wird daher das ganze Kraut (Stängel, Blüten, Fruchtkapseln) in Büscheln. Alle Teile sind nutzbar. Grundsätzlich kann die Vogelmiere das ganze Jahr über gesammelt werden. Bloß wenn es heiß wird im Sommer, verschwindet sie. Im Herbst taucht sie wieder auf und wenn sich der Winter mild gestaltet, können wir sie die ganze kalte Jahreszeit hindurch ernten. Grundsätzlich kann die Vogelmiere das ganze Jahr blühen und reifen. Das macht die Trocknung etwas überflüssig.
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Collect & enjoy:
Die Vogelmiere in der Küche
Nach der Devise „ernten statt jäten“ darf die zum Unkraut verteufelte Vogelmiere auch auf unseren Tellern laden. Und sie wird uns dafür belohnen. Nämlich mit ihrem einzigartigen Geschmack der an Erbsen, Salat und jungen Mais erinnert. Kulinarisch kann sie roh oder gekocht ganzjährig unheimlich vielseitig verarbeitet werden: für Salate, Smoothies, Pestos, Aufstriche, Suppenwürze, als Gemüse für Strudel, Knödelteig, Ravioli Füllung, Spinatersatz etc.
Chickweed Mash
Zutaten
100g tiefgekühlte Erbsen
1 Handvoll frische Vogelmiere
½ Bio Zitrone (Saft und etwas Abrieb)
3 EL Sonnenblumenkerne
3 EL Olivenöl
1 Knoblauchzehe
(Bärlauch)Salz und Pfeffer
Chiliflocken
Getrocknete Minze
Kresse
Zubereitung
Vogelmiere waschen. Erbsen ein paar Minuten in einem Topf mit leicht gesalzenem Wasser kochen, bis sie weich sind. Anschließend abgießen und in eiskaltem Wasser abschrecken, dadurch behalten sie ihre kräftige grüne Farbe. Vogelmiere, Erbsen, Zitronensaft und Abrieb, Sonnenblumenkerne und Olivenöl in einen Mixer geben und cremig pürieren. Zum Schluss mit Salz und Pfeffer abschmecken. Brot (z.B. Roggen-Sauerteigbrot) in Scheiben toasten, mit Knoblauchzehe einreiben und mit Erbsen-Vogelmiere Mash bestreichen. Chiliflocken, getrocknete Minze und Kresse drüberstreuen. Mahlzeit!
Achtung!
Beim Pürieren und Mixen (wie für Smoothies oder Suppen) empfiehlt es sich den Stängel weitgehend zu entfernen. Die starken Fasern können sich verfangen.
Healthy Herbarium:
Die Vogelmiere in der Naturheilkunde
Ihre Haupteinsatzgebiete sind Husten und die Haut. Die enthaltenen Saponine finden wir in vielen „Hustenpflanzen“. Sie haben auswurffördernde, schleimlösende und hustenstillende Eigenschaften, da sie festen Bronchialschleim verflüssigen und das Auswerfen unterstützen können.
Einnahme
Dazu eignet sich der frische Verzehr der Vogelmiere oder die Zubereitung als Tee, Tinktur und Oxymel. Durch ihre kühlende und erfrischende Wirkung wird die Vogelmiere in alten Kräuterbüchern auch als Fieberkraut bezeichnet und für diesen Zweck früher als Schnaps angesetzt.
Haut
Auch für „hitzige“ Wunden wurde die Vogelmiere genutzt. Dazu hat man das frische Kraut zerstoßen und auf brennende und juckende Haut aufgetragen. Noch heute gilt sie in der Naturheilkunde als wichtige „Hautpflanze“ und wird bei Juckreiz, Neurodermitis, Schuppenflechte, Verbrennungen, Wunden, Schwellungen, kleinere Verletzungen, Akne sowie unreiner, fettiger Haut angewendet. Hauptsächlich in Form von Tee für Badezusätze oder Waschungen. Auch die Vogelmieren Salbe ist eine traditionelle Zubereitung bei Hauterkrankungen.
Stoffwechsel
Weiters ist die Vogelmiere beliebt, wenn es um das Thema Stoffwechsel und Kuren geht. Sie versorgt uns mit vielen Mineralien und Vitaminen, was früher nach dem kargen und harten Winter für die Menschen essentiell war. Sie soll den Stoffwechsel in Schwung bringen, durchspülend, verdauungsfördernd, reinigend und auf den gesamten Organismus stärkend wirken können.
Skin Food:
Die Vogelmiere in der Naturkosmetik
Um die Frische der Vogelmiere auf die Haut zu bringen, liebe ich die Vogelmiere No-Emu Lotion. Sie sorgt für einen Frische Kick und einen wilden Vitamin Boost auf der Haut.
No-Emu noch nie gehört?! Es handelt sich dabei um eins der simpelsten, pursten und gleichzeitig besten selbstgemachten Hautpflegeprodukte. No-Emu bedeutet, dass kein Emulgator zum Einsatz kommt, um Wasser- und Fettphase zu vermengen. Das Mischen der beiden Phasen erfolgt viel einfacher, ohne zusätzlichen Inhaltsstoff, nämlich einfach durch kräftiges Schütteln.
Vogelmiere No-Emu Lotion
Zutaten
25ml Jojoba- oder Mandelöl
2 EL frische Vogelmiere
50ml Birken- oder Pfefferminzhydrolat (alternativ auch ein anderes Hydrolat oder destilliertes bzw. abgekochtes Wasser)
optional 10 Tropfen ätherisches Orangenöl und 2 Tropfen Lavendel fein
Zubereitung
Vogelmiere waschen und im Mörser zerstoßen. Mit Hydrolat verrühren. Man kann das Ganze auch einfach mixen. Das Gemisch 2h ziehen lassen, dann abseihen. Eine Flasche, am besten mit Pumpverschluss, zur Hälfte mit Vogelmieren-Hydrolat-Gemisch befüllen und mit Jojoba- oder Mandelöl aufgießen. Ätherische Öle dazu tropfen und gut schütteln. Der Rest des Hydrolats kann für Gesichtsmasken verwendet werden.
Tipps
Vor jeder Anwendung gut schütteln. Ich verwende die Lotion am liebsten nach dem Duschen und massiere sie in die Haut ein.
Die Vogelmieren No-Emu Lotion ist in dieser Form etwa 1-2 Wochen im Kühlschrank haltbar. Für eine längere Haltbarkeit empfehle ich selbstgemachte Tinkturen (alkoholischer Auszug) wie hautpflegende Rosen-, Gänseblümchen- oder Kamillentinktur dazu zu geben. Eine ausreichende Konservierung im klassischen und wissenschaftlichen Sinn wird erreicht, wenn 15% Tinktur gewählt werden.
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Fotos:
Daniel Hobelsberger