Nachtkerze Wurzel Erde

Im Herbst ziehen sich die Pflanzen langsam zur Winter­ruhe in ihr unter­irdisches Reich zurück. Es beginnt die Wurzel­zeit. Und der Blick unter die Erde lohnt sich, denn Kräuter­power steckt nicht nur in Blättern und Blüten! Höchste Zeit dieses alte Wissen – im wahrsten Sinne des Wortes – wieder auszugraben.

 

Back to the roots


Die Wurzeln von Heil- und Wild­pflanzen werden seit jeher für Ernährung und Ge­sundheit genutzt. Kohlen­hydrate, Eiweiße, Mineralien und Vitamine machen sie zu nahr­haften Lebens­mitteln, sekun­däre Pflanzen­wirk­stoffe wie Bitter­stoffe zu Heil­pflanzen. Im Pflanzen­reich erfüllen sie außerdem wichtige Aufgaben: Wurzeln dienen der Verankerung im Boden, der Wasser- und Nähr­stoff­aufnahme und als Speicherorgan.

 
 
Nelkenwurz Blätter Boden Steine
 

Wurzeln graben –
Things you should know …


Mit etwas Geduld, dem richtigen Werk­zeug und ein wenig Kraft liegt uns die Welt der Wurzeln zu Füßen! Auf Folgendes sollte dabei immer geachtet werden:

 

Der richtige Zeitpunkt

Im Frühling und Sommer stecken Pflanzen ihre Energie haupt­sächlich in die Ausbildung von oberirdischen Teilen wie Spross, Blätter, Blüten und Samen. Welken sie im Herbst, ziehen sich (zwei- und mehrjährige) Pflanzen in ihre unterirdischen Organe zurück. Nun steckt die Kraft in den Wurzeln. Solange keine Schneedecke das Erdreich bedeckt oder der Boden frostig ist, können Wurzeln ab dem Herbst (September/Oktober) die ganze kalte Jahres­zeit hindurch bis ins nächste Frühjahr gegraben werden. Sobald die Pflanzen (etwa ab März) beginnen neu aus­zu­treiben gilt die Wurzelsaison als beendet – vor allem wenn man sie für Heilzwecke nutzen möchte.

Rein für die Küche sieht man das Ganze nicht so streng. Wie immer gilt: Um Verwechselungen mit Giftpflanzen aus­zuschließen, darf nur gesammelt werden was man eindeutig kennt! Daher mein Tipp: im Herbst graben. Pflan­zen lassen sich anhand welker Blätter noch gut erkennen. Im Frühling ist eine eindeutige Bestimmung meist schwieriger und gelingt eher dem geschulten „Kräuterauge“. 

 

Wo wird gegraben?

Idealerweise im eigenen Bio-Garten und an sonstigen unbelasteten Standorten. Werden Wurzeln außerhalb des eigenen Gartens gegraben, sollte man bedenken, dass der Grund jemandem gehört. Ein paar entwendete Löwen­zahn­wurzeln dürften in der Regel aber kein Aufsehen erregen ;). Es gilt die allgemeine Regel: In Natur­schutz­gebieten werden Pflanzen weder gesammelt noch ge­graben und geschützte sowie seltene Pflanzen sind tabu. Es sollte immer darauf geachtet werden, dass genug in der Natur zurückbleibt und der Bestand erhalten bleibt! 

 

Wie werden Wurzeln gegraben? 

Je nach Pflanze braucht es zum Wurzel graben eine kleine bis größere Schaufel, einen Wurzelstecher oder Spaten und mehr oder weniger Kraft. So kann für eine Löwen­zahn­wurzel schon mal ein bisschen Schweiß fließen. Die Nelken­wurz hingegen – mit ihren filigranen Wurzeln – macht es einem da schon leichter.

Allgemein geht man so vor, dass man am besten zuerst das Erdreich rund um die Pflanze lockert, bevor man die Wur­zel aussticht. Danach wird das Loch wieder sorgfältig mit Erde befüllt. Es empfiehlt sich immer ein Stückchen der Wurzel in der Erde zurückzulassen da sich viele Pflan­zen daraus wieder neu entwickeln können. 

 

Wie geht’s nach dem Graben weiter? 


Frisch verarbeiten

Direkt nach dem Graben können Wurzeln frisch in der Küche, für Tee, Tinkturen, Oxymel etc. verwendet werden. Dazu werden sie zuerst von den Blättern befreit und dann gut gewaschen – hilfreich ist eine Wurzelbürste. Zu starkes Schrubben ist nicht empfohlen, um die Schale nicht zu sehr zu zerstören. Wie im Gemüse steckt auch bei Wurzeln viel an Inhaltsstoffen in eben dieser. Nach dem Waschen werden die Wurzeln trocken getupft und Schad­stellen entfernt. Je nach gewünschter Größe werden die Wurzeln dann kleingeschnitten. Für die Bevorratung können Wurzeln natürlich auch getrocknet werden.

 

An der Luft trocknen

Wurzeln in dünne Scheiben (1-2mm) schneiden und Stück­chen nebeneinander auf eine Unterlage (z.B. Backblech, Gitter) auflegen. An einem zimmerwarmen, luftigen und schattigen Ort lässt man die Wurzelstückchen für ca. 2 Wochen trocknen. Sind die Stückchen hart und schrum­pe­lig sind sie trocken. Die Wurzelscheibchen können alter­nativ auch auf einem Zwirn aufgefädelt und zur Trocknung aufgehängt werden.

 

Im Backrohr trocknen

Wurzelscheibchen auf ein Backblech legen und mehrere Stunden auf niedrigster Stufe trocknen. Dabei darauf achten, dass das Backrohr einen Spalt geöffnet bleibt, sodass Feuchtigkeit entweichen kann. Danach lasse ich die Wurzeln ein paar Tage an der Luft nachtrocknen. Alter­nativ kann auch ein Dörrgerät verwendet werden. Getrocknete Wurzeln füllt man, mit Inhalt und Datum beschriftet, in ein verschließbares Glas welches am besten dunkel gelagert wird. Getrocknete Wurzeln sind etwa 1 Jahr haltbar.

 
 

Wenn du das Graben von Wurzeln in Videoanleitung lernern möchtest, schau gerne in meinem Witchy fruits & deep roots
— Herbst Onlinekurs
vorbei.

Mehr über Kräuter, ihre Inhaltsstoffe und Anwendung, die richtige Zubereitung, sicheres Sammeln und über 20 Pflanzenporträts der wichtigsten heimischen Wild- und Heilkräuter findest du im Vitamin wild Kräuterkunde Onlinekurs.

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Löwenzahnwurzel
Taraxacum officinale, Korbblütler


Löwenzahn ist ein anpassungsfähiger und sehr robuster Überlebenskünstler, der selbst aus der kleinsten Betonritze wächst. Zum Leidwesen so mancher Gärtner:innen lässt sich die kräftige Pfahlwurzel oft nur schwer aus der Erde entfernen und beschert dem Tausendsassa Löwenzahn den Ruf eines hartnäckigen Unkrauts. Doch die fleischige Wur­zel lässt sich – wie auch Löwenzahn Blätter und Blüten – sehr vielseitig einsetzen. Wir können sie für Löwen­zahn­wurzel Tee, einen koffeinfreien Kaffeeersatz, klein ge­schnitten oder frisch geraspelt als knackig-bittere Bei­gabe für Salate, gekocht als Wurzelgemüse und gebraten zu Gemüsepfannen verwenden. 

Die Inhaltsstoffe der Löwenzahn Wurzel können sich auch sehen lassen: Bitterstoffe, Flavonoide, Inulin, Schleimstoffe und Terpene machen sie zu einer Nahrungs- und Heil­pflanze. Im Herbst ist der Inulingehalt übrigens höher, was die Wurzel auch zu einem gesunden Gemüse für Dia­beti­ker:innen macht. Im Frühling enthält sie mehr Bitter­stoffe. Als Tee und Tinktur wird die Löwenzahnwurzel in der Natur­heilkunde u.a. bei Blasen- und Nierenproblemen und zur Verdauungs­förderung eingesetzt.

Auch sehr spannend ist hier natürlich die Wurzel der Brennnessel. Wie man sie gräbt, ihre Inhaltsstoffe, wie du sie nutzen kannst und wie daraus auch eine Haarspülung für glänzende Haare gemacht wird, findest du im Witchy fruits & deep roots — Herbst Onlinekurs.

 
Löwenzahn Wurzel Baum Blüte
 
Löwenzahn Wurzel Wurzelkaffee
 

Löwenzahnwurzel Tee


Löwenzahn Wurzel Tee Wurzeltee Tasse

Der herb-bittere Löwenzahnwurzeltee kann die Leber stärken, die Verdauung unterstützen, die Blase anregen und Lebensgeister wecken. Die Löwenzahnwurzel ist häufiger Bestandteil von Fasten- und Frühjahrskur Tee­mischungen. Dazu 1 TL getrocknete oder 2 TL frische gut zerkleinerte Löwenzahnwurzel in 250ml Wasser aufkochen und zugedeckt 10 Minuten ziehen lassen. Danach abseihen.

 

Löwenzahnkaffee


Löwenzahn Kaffee Tasse

Diese koffeinfreie Kaffee Alternative schmeckt malzig-bitter und kann nach Belieben mit (Pflanzen-) Milch und Gewürzen aufgepeppt werden. Dazu werden die frisch gegrabenen Wurzeln nach dem Waschen in 1mm dünne Scheiben geschnitten und in einer Pfanne ohne Öl ge­röstet bis sie dunkelbraun bzw. fast schwarz sind.

Aus den gerösteten Wurzeln wird mit einem Mörser oder in einer Kaffeemühle nun ein Pulver gemahlen. Für eine Tasse „Kaffee“ lässt man 2 TL Pulver in 250ml kaltem Wasser aufkochen und das Ganze 10min zugedeckt ziehen. Danach seiht man ab und schon ist der Löwen­zahn­kaffee trinkfertig.

Möchte man einen Vorrat anlegen, werden die Wurzel­stückchen nach der Röstung am besten 1 Woche an der Luft getrocknet und dann dunkel gelagert. Vor der Zube­reitung müssen sie dann nur noch gemahlen werden. Für eine Tasse (2TL Pulver) benötigt man zwei mittelgroße Löwenzahnwurzeln. Ganz detailliert findest du das Rezept auch im Witchy Spring Vibes — Onlinekurs Frühling.

 

Wurzel der zweijährigen Nachtkerze
— Oenotherae biennis oleum


Die aus Amerika stammende Nachtkerze wächst gerne entlang von Bahndämmen und an Steinbrüchen und erreicht eine Wuchshöhe bis zu über 1 Meter. Ihre gelben, wunderbar duftenden Blüten öffnen sich erst in der Abend­dämmerung und verströmen einen zarten, feinen Duft der Nachtfalter anlockt. Früher hatte die Nacht­kerze als Wurzelgemüse einen festen Platz im Gemüse­garten und noch heute liest man in alten Büchern von der „Schinkenwurzel“. Diesen Namen verdankt die Pfahlwurzel der rosa-weißen Färbung. Geschmacklich erinnert die stärke-, eiweiß- und mineral­stoffreiche Nachtkerze an die Schwarzwurzel. Sie ist roh und gekocht genießbar, kann sauer eingelegt und für Aufläufe genutzt werden. Als zweijährige Pflanze bildet die Nachtkerze im ersten Jahr eine grundständige, oft rötlich überlaufene Blattrosette, mit der sie überwintert. Erst im zweiten Jahr bildet sich ab dem Frühsommer der Blütentrieb. Bis dahin kann die Wurzel gegraben werden. Danach wird sie holzig und ist daher nicht mehr wirklich zum Verzehr geeignet. 

 
 
Nachtkerze Blüte Samenstand
 
Nachtkerze Wurzel Schinkenwurzel
 

Sauer eingelegte Nachtkerzenwurzel


sauer eingelegt Nachtkerzenwurzel Wurzelrezept Schinkenwurzel Glas

Das Einlegen ist eine schmackhafte Möglichkeit die Nacht­kerzen­wurzel als Vorratsgemüse haltbar zu machen. Sie passt so zu Salaten und als Beigabe zu gegrilltem Gemüse und Tofu.

Nach dem Waschen werden die Wurzeln in 0,5cm dünne Scheiben geschnitten. Für ein kleines Glas wird eine davon mit 100ml Weißweinessig und 100ml Wasser sowie Gewürzen nach Belieben (Prise Salz, Zucker, Wacholder, Senfsamen, Dill, Lorbeerblätter, Knoblauchzehe …) in einen Topf gefüllt. Das Ganze lässt man 10 Minuten leicht köcheln und füllt dann alles noch heiß in ein Glas. Gut verschlossen, dunkel und kühl gelagert ist das Wurzel­gemüse so mindestens 2 Monate haltbar.

 

Wurzel der Nelkenwurz
— Geum urbanum, Rosengewächs


Der Name ist Programm – denn die Wurzel erinnert ge­schmack­lich an die Gewürznelke. Dafür ist das äthe­rische Öl Eugenol, welches neben Gerb- und Bitterstoffen in der Wurzel enthalten ist, verantwortlich. Es sorgt für das charak­­teristische süßlich-würzige Aroma. Zu finden ist die Nelkenwurz mit ihrer feinen, verästelten Wurzel und gelben fünf­zähligen Blüten an halbschattigen Standorten. Als Pflanze ist sie recht unscheinbar, ihre mit Widerhaken besetzten Früchte sind aber sicher schon mal an jedem hängen geblieben.

Als wichtige Würz- und Heilpflanze diente die Nelkenwurz früher als Ersatz für die kostbaren, exotischen Gewürz­nelken. Vor allem zum Aromatisieren von Speisen und Getränken kam sie zum Einsatz. Ich nutze sie gerne für Gewürzmilch, Gewürz­wein und Apfel­kompott. In der Volks­medizin wurde sie als kräftigend, ver­dauungs­för­dernd, herz- und nerven­stärkende Heilpflanze ge­schätzt und bei Entzündungen im Hals- und Rachen­be­reich sowie Durchfall eingesetzt. 

 
 
Nelkenwurz Blüte Blätter
Nelkenwurz Wurzel Blätter Hände
 

Nelkenwurz Gewürztee


Nelkenwurz Gewürztee Gewürzmilch Wurzeltee Wurzel Emaille Tasse

Im Herbst und Winter ist die Nelkenwurz Gewürzmilch genau das richtige Heißgetränk!

Dazu setzt man 1 TL getrocknete oder 2 TL klein­geschnit­tene frische Nelkenwurz Wurzel in 200ml kaltem Wasser an und lässt das Ganze mindestens 1h (oder am besten über Nacht) ziehen. Dann kocht man den Ansatz mit 100ml (Pflanzen) Milch, zwei zerstoßenen Kardamom­kapseln, einem kleinen Stück frischen Ingwer, einem kleinen Stück (etwa 1cm) zerbrochener Zimtstange und etwas Vanille- und Ingwer­pulver auf und lässt das Ganze zugedeckt etwa 10 Minuten ziehen. Dann abseihen und nach Belieben süßen. 

Einen Engelwurz-Nelkenwurz Heilwein und meinen liebsten Wikdkräuter Chai mit Nelkenwurz findest du im Witchy fruits & deep roots — Herbst Onlinekurs.

 

Baldrian
— Valeriana Officinalis


Vielen ist nicht bekannt, dass diese geschätzte Heil­pflanze, deren Wirkung auf das Nervensystem medizinisch bestätigt ist, meist ganz unscheinbar in unsere Nähe wächst. Vor allem an feuchten Standorten wie Bachufern, in feuchten Gräben und Wiesen können wir Baldrian finden. 

Für Heilzwecke wird die Wurzel gegraben, welche die wirk­samen ätherische Öle enthält. Durch sie wirkt die Baldrian­­wurzel beruhigend, entspannend, entkrampfend und psychisch ausgleichend. Abends kann Baldrian die Schlaf­bereit­schaft fördern, die Einschlaf­­zeit verkürzen und die Schlafqualität verbessern. Da Baldrian aber kein klassisches Schlafmittel ist, das stark sedierend wirkt, können Tee und Tinktur auch untertags hilfreich sein und Spannungen abbauen, Stress und Nervosität hemmen und die Konzentration sowie das Leistungs­vermögen steigern. Der Geruch wird oft als sehr penetrant empfunden was Baldrian den Volksnamen „Stinkwurz“ einbrachte. Für Katzen ist es ein Wohlgeruch.

 
Baldrian Wurzel graben Schaufel Holz
 
Baldrian Blüte verblüht
 

Baldrian Tinktur


Baldrian Tinktur Wurzel Blätter Blüten Glas Holz

Praktisch zur Einnahme und für unterwegs finde ich die Baldrian Tinktur.

Dazu wird ein verschließbares Glas zu 1/3 mit getrock­neter Baldrian Wurzel oder zur Hälfte mit frischer, gut gesäuberter Wurzel befüllt und mit 80%-igen Korn auf­gefüllt. Den Ansatz lässt man 1 Monat schattig ziehen und schüttelt regelmäßig. Danach wird die Baldrian Tinktur abgeseiht und mit gleichen Teilen Wasser wie ursprünglich Alkohol gemischt, um einen Alkohol­gehalt von 40% zu erreichen. Zum Ansetzen wird 80%-iger Alkohol ver­wen­det, um die ätherischen Öle optimal aus der Wurzel zu lösen.

Baldrian Wurzel wird tradtionell auch gerne verräuchert. Eine feine Mischung für die kalte Jahreszeit findest du im Witchy fruits & deep roots — Herbst Onlinekurs.

 

Neben den vorgestellten Pflanzen werden außerdem Blut­wurz-, Brennnessel-, Beinwell- Eibisch-, Engelwurz-, Kren­wurzel, die Wurzel der Wilden Karde, die Zwiebel vom Bärlauch und viele mehr für die verschiedensten Zwecke genutzt.


 
Baldrian Katze Wurzel Blätter Holz
 

Viel Freude mit den Rezepten!

 

Fotos:
Daniel Hobelsberger
Valerie Jarolim

Literatur:
Ursel Bühring – Praxis-Lehrbuch Heilpflanzenkunde

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